Geschichte der hessischen Anguszucht
Geschichtliches zur hessischen AnguszuchtDie älteste Fleischrinderrasse Deutschlands ist in Hessen frühzeitig bodenständig gezüchtet worden. Bereits in den 50ziger Jahren kamen die ersten Angus nach Hessen. Mit der Hessischen Verbandsgründung 1961 wurden die vorhandenen Landanguszuchten, aus denen die Deutsche Angus hervor gingen, übernommen und systematisch weiter gezüchtet.
Die vielseitige Grundlage der hier bodenständigen Rinderrassen und der konsequente Einsatz passender Vatertiere haben einen raschen Aufbau leistungsfähiger Angusherden ermöglicht. Ebenso wie die Aufgabe der Milchwirtschaft in den Großbetrieben die Anguszucht begünstigte, hat die Umstellung dieser Betriebe auf viehloser Wirtschaft eine Änderung der Herdenstrukturen und Zuchtstrategien bewirkt. Der Schwerpunkt der hessischen Anguszucht wanderte in bäuerliche Familienbetriebe und wurde dort den Betriebsabläufen angepasst. Hohe Aufzuchtleistungen, gute Eignung zur Direktvermarktung und Umgänglichkeit durch ruhiges Temperament hatten von nun an besondere Priorität.
Die hessischen Angus bekamen, wie man zu sagen pflegt, Familienanschluß. In der „ zweiten Zuchtphase“, beginnend Ende der 70ziger Jahre, wurden die leistungsfähigen, typsicheren Zuchten begründet, die heute an der vordersten Front die Hessenangus repräsentieren. Dabei wurde in einigen Herden gezielt auf rote Farbe gezüchtet. Bullen, die zum Teil auf DLG- und Bundesschauen hoch prämiert wurden, wie zum Beispiel Hampel in der Herde Henz und Gardist in der Herde Flamme, haben die rote Anguszucht in den ersten 80ziger Jahren hessenweit geprägt. Die hessischen Züchter haben es darüber hinaus immer verstanden, durch für sie passende Zukäufe aus anderen Zuchtgebieten, meist aus Niedersachsen und Bayern, ihr Zuchtziel zu formen und ihre Herden im mittelrahmigen Typ frühreif und leistungsfähig zu halten. Der Einsatz von schwarzen und roten Angus aus überseeischen Zuchtgebieten erfolgte danach sehr dosiert und mit Augenmaß. Nach Einführung der Leistungskontrolle und Zuchtwertschätzung bestätigte sich die hohe Leistungsfähigkeit der hessischen Zuchten und somit auch der richtige Weg der bei der bisherigen Zuchtarbeit gegangen wurde.
Auf Grund der gut durchgezüchteten Herden stellte sich bald auch eine beständige Nachfrage nach hessischen Zuchtprodukten ein. 1984 wurde die erste Auktion in Gießen, jedoch noch mit geringem Erfolg, durchgeführt. 1991 konnte die erste Auktion in der neuen Hessenhalle im zentral gelegenen Alsfeld stattfinden. Aufbauend auf die Giessener Auktionen, war dieser Veranstaltung ein durchschlagender Erfolg beschieden. Die alljährlich seit dieser Zeit im Februar stattfindenden Fleischrindertage, mit anschließender Auktion, haben deutschlandweit und im angrenzenden Ausland Interesse gefunden. Im hessischen Bergland aufgewachsene Anguskühe und Absetzer bringen auf Grund ihrer robusten Aufzucht überall die gewünschte Leistung. Jungbullen werden ihrer Leistungsvererbung und Typsicherheit auch von Züchtern in anderen Zuchtgebieten nachgefragt und erfolgreich eingesetzt. Die Anpassungsfähigen Deutschen Angus haben sich in Hessen früh durchgesetzt und sind wegen ihrer problemlosen Handhabung in der Mutterkuhhaltung auch heute noch seht beliebt. Entsprechend hat sich ihre Verbreitung entwickelt.
– Hans Wördemann –
Anguszucht in Hessen
Die züchterische Entwicklung für die Rasse Angus in Hessen zeigt in den zurückliegenden Jahren eine sichtbare Vorwärtsentwicklung, die sowohl durch Herdenaufstockungen aber vor allem durch zahlreiche neu hinzugekommene Mitgliedsbetriebe gekennzeichnet ist.
Immer mehr Mutterkuhhalterhaben die Vorzüge dieser hornlosen, frühreifen Rasse mit besten Aufzuchteigenschaften und ausgeprägter Anpassungsfähigkeit für rentable Grünlandnutzung im Haupt- und Nebenerwerb erkannt und nutzen sie über die Vermarktung von Qualitätsfleisch und Zuchtvieh.
Durch konsequente Selektion erreichten die hessischen Züchter frühzeitig einen einheitlichen Standard: einfarbige Rinder in rot oder schwarz, die durch ihre Frühreife mit zwei Jahren erstmalig abkalben und somit die Aufzuchtkosten erheblich reduziert. Das trockene, feine Skelett und die leichten Köpfe sind als Garant für die leichten Geburten zu sehen und stellen ein wichtiges Selektionskriterium dar. Für die Nutzung in der Direktvermarktung wird die frühe Ausbildung einer ausgeprägten Bemuskelung an allen wertbestimmenden Teilen wie Rücken und Keule angestrebt; gleichzeitig wurde in der züchterischen Selektion von Anfang an auf die Mütterlichkeit und Milchleistung der Kühe geachtet.
Als sichtbares Dokument des Zuchtfortschrittes ist die Leistungsentwicklung der hessischen Anguspopulation anzusehen: wenn vor 10 Jahren oftmals die 1.000 g-Grenze bei den Jungbullen nicht erreicht wurde, so liegt das Mittel der gekörten Bullen jetzt bei 1.282 g TZ und die Elite-Bullen übersteigen diesen Wert noch um weitere 40 g. Die Angus Bullen liegen jetzt in einem Leistungsbereich, der anfänglich nur für die schweren Rassen vorstellbar war. Auf der Basis der Leistungsprüfung im Feld wurde von allen Bullenmüttern in den Zuchtherden eine Aufzuchtleistung von mindestens 95 %, verglichen mit dem Herdenniveau, erlangt; diese in Deutschland einzigartige Anforderung hat sich zweifellos sehr positiv auf die hessische Angus-Zucht ausgewirkt.
Mit der gleichen Konsequenz wird auf der Basis der vorliegenden Zuchtwerte für maternale Eigenschaften, Gewichtsentwicklung und Fleischansatz (RZF) weitergearbeitet. Dabei ist im Unterschied zu anderer Fleischrinderrassen bei den Angus neben der Selektion nach RZF auch wesentlichen Kriterien des Rassetyps wie Leichtkalbigkeit und Frühreife weiterhin große Beachtung beizumessen. Gleichwenn die Leistungsprüfung im Feld als tragende Säule der züchterischen Selektion anzusehen ist, so haben viele aktive Angus-Züchter in den vergangenen Jahren zusätzlich die ELP-Station des Landes Hessen in Neu-Ulrichstein beschickt.
Dort werden unter einheitlichen Bedingungen Zuwachsleistungen, Futterverwertung und konstitutionale Merkmale in der Gruppenhaltung auf Spalten geprüft. Für die Zukunft wird die Erweiterung der Eigenleistungsprüfung um Merkmale der Fleischfülle, Fettabdeckung und intramuskulären Fetteinlagerung angestrebt.
Zweifellos ist die genetische Basis der hessischen Angus-Population heute auf vielen Herden verteilt und die Aktivität von einigen jüngeren Zuchtstätten in letzter Zeit auch an Schau- und Vermarktungserfolgen ablesbar, gleichzeitig bilden durchgezüchtete Kuhstämme und bewährte Herdenbullen wie Pilot, Hubertus und Frank mit ihrer Nachzucht eine hervorragende Grundlage, die sich im überregionalen Vergleich sehr gut sehen lassen kann. Die ständige Nachfrage nach hessischen Angus-Tieren, sowohl beim Fleischrindertag als auch auf den Betrieben, belegen dieses deutlich. Eine wirtschaftliche Grünlandnutzung über Mütterkühe ist in der Zukunft ohne Angus-Rinder unter den heutigen Marktverhältnissen überregional nicht mehr vorstellbar und empfiehlt sich vorrangig für Betriebe, die nach Richtlinien des ökologischen Landbaus arbeiten.
– J. Grünhaupt –